Der Beurener Lebensbaum in der Kirche St. Paulus

In der Kirche St. Paulus in Beuren ist seit dem zweiten Fastensonntag,
7. März 2004, ein aus einer einheimischen Linde geformter Lebensbaum eingebracht.
Er gibt dem Kirchenraum eine aussagestarke Prägung und bereichert in einladender, mitgehender und bildhafter Sprache sowohl den Raum wie auch das gottesdienstliche Leben der Gemeinde.

Einbindung in die Kirche

Der schräg eingeordnete Baumstamm führt den Betrachter auf einem ansteigenden Weg zur Kreuzigungsszene hin. Über der Kreuzigungsszene führen Lichtfenster zum Altar der Kirche. Der Lebensweg ist in seiner Raumeinbindung Teil des Ganzen. Der Künstler des Lebensbaums ist Herr Günter Kretzschmar aus Beuren-Balzholz.

Bedeutung des Lebensweges

Der Lebensweg stellt die wichtigsten Stationen der Heilstaten Jesu in den Beziehungen zu den Menschen damals wie heute dar. Sein Schwerpunkt ist der gleiche wie in der Liturgie der Kirche. Es ist die Zeit zwischen dem Einzug Jesu in Jerusalem und der Entsendung des Heiligen Geistes. Die schräge Anordnung des Lebensbaums spiegelt die Schwierigkeiten unseres Lebens. Dieser Weg führt nach Golgatha, endet aber dort nicht. Der Weg verbindet sich mit dem Licht der bunten Kirchenfenster und führt die sechs Apostelsäulen zum Altar. Die Kirche ist aufgebaut auf dem Grund der Apostel und Propheten.

 

Entstehung des Lebensbaumes

Die katholische Gemeinde von Beuren suchte seit Jahren einen Kreuzweg für die linke Seitenwand in der Paulus Kirche. Bedingt durch den Wandel der Frömmigkeitsformen entwickelte sich die Idee, statt eines traditionellen Kreuzweges, einen Lebensbaum mit den wichtigsten Ereignissen im Heilswerk Jesu Christi zu schaffen.

Durch Zufall entdeckte das Ehepaar Kretzschmar im Jahre 1998 in Tiefenbachtal eine vom Sturm gefällte Linde. Bei deren Anblick kam Herrn Kretzschmar die Idee das Material für einen Kreuzweg zu verwenden. Herr Ewald Bangert brachte im Gespräch mit Ihm die Idee die Linde als Lebensbaum auszugestalten.

Ein Glücksfall war es, dass Herr Kretzschmar einen Ort suchte, wo er seinen Lebensbaum als Leihgabe aufstellen konnte. So kam der Baum während seiner Entstehungszeit in die Pauluskirche. Dort konnte der Künstler unter anregenden Impulsen von Interessierten sein Werk vervollständigen.

In mehreren Sitzungen des Kirchengemeinderates wurde das Werk in seiner endgültigen Form beschlossen und vom Bischöflichen Ordinariat akzeptiert. Die Gemeinde und insbesondere einzelne Gruppierungen in der Gemeinde, konnten in kurzer Zeit die Finanzierung des Projektes mit Spenden sicherstellen. Die kleine und zugleich starke katholische Gemeinde hat sich selbst das schönste Geschenk gemacht. Es wird ihr Leben bereichern, weit und zugleich stark machen.
 

Motive des Künstlers

Herr Kretzschmar ist 1931 geboren. Er erlebte seine Schreinerlehrzeit in Hamburg-St. Pauli. Deshalb hat er mit viel Hintergrundwissen die Themen Jesus und die Frauen, die Rolle der Mutter und der Kinder in den Lebensbaum aufgenommen.

Herr Kretzschmar geht davon aus, dass jeder Kreuzweg die Facetten unseres Lebens widerspiegelt. Aus diesem Grund beobachtete er in mehreren Kirchen die Kreuzwege nach deren Gestaltung und Inhalt.

Um einen Bezug zur Gegenwart herzustellen, sind die Figuren bewusst einfach und anonym als Holzdrehformen gestaltet. Nur dort, wo es unbedingt notwendig war, sind ergänzende Ideen eingebracht. Das Werk ist grundsätzlich mittels Borsalzlösung gegen Holzwürmer geschützt, die Oberflächen sind mit Leinöl und Wachs umweltfreundlich und pflegeleicht behandelt.

Das Publikum und insbesondere die Kinder können die Figuren anfassen. Das Werk ist deshalb nicht hinter Glas versteckt. Da der Künstler mehrere Werke in Beuren und Umgebung geschaffen hat, das Lindenholz in der heimischen Gegend gefunden wurde, ist durch dieses Kunstwerk eine starke Verbindung von Landschaft, Gemeinde und Kirche gegeben.

 

© Texte: Pfarrer Anselm Jopp, Dr.-Ing. Norbert Petrizza
   
Bilder: Rudolf Heinz